Am überzeugendsten und überzeugtesten hat es wohl der Besitzer eines kleinen Cafes in der Fränkischen Schweiz zum Ausdruck gebracht. Er sagte über die Zeit, in der er sein Lokal coronabedingt schließen musste: Es waren die glücklichsten Wochen meines Lebens.
Keine Frage: vielen ging es ganz anders. Nicht nur jenen, denen Corona schwere Krankheit oder Tod brachte, auch denen, die durch die neue Situation in existentielle Bedrohung oder doch in Überbelastung gerieten. Aber es gab doch nicht so wenige, die diese Beschränkung nicht als Belastung, sondern als unverhoffte Idylle empfinden konnten.
Valerio (mir Würde/: Herr, ich habe die große Beschäftigung, müßigzugehen; ich habe eine ungemeine Fertigkeit in Nichtstun; ich besitze eine ungeheure Ausdauer in der Faulheit. Keine Schwiele schändet meine Hände, der Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken, ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir nicht der Mühe zuviel wäre, würde ich mir die Mühe nehmen, Ihnen diese Verdienste weitläufiger auseinanderzusetzen.
Leonce (mit komischem Enthusiasmus): Komm an meine Brust! Bist du einer von den Göttlichen, welche mühelos mit reiner Stirn durch den Schweiß und Staub über die Heerstraße des Lebens wandeln und mit glänzenden Sohlen und blühenden Leibern gleich seligen Göttern in den Olympus treten? Komm! Komm! […] Wir lassen alle Uhren zerschlagen, alle Kalender verbieten und zählen Stunden und Monden nur nach der Blumen- ühr, nur nach Blüte und Frucht […]
Valerio: Und ich werde Staatsminister, und es wird ein Dekret erlassen, daß, wer sich Schwielen an die Hände schafft, unter Kuratel gestellt wird; daß, wer sich krank arbeitet, kriminalistisch strafbar ist; daß jeder, der sich rühmt, sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird; und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion!
Domenica sono occupata
Tom Hodgkinson, How to Be Idle
Contents Waking Up is Hard to Do / Toil and Trouble / Sleeping In / Skiving for Pleasure and Profit / The Hangover / The Death of Lunch / On being Ill / The Nap / Time for Tea / The Ramble / First Drink of the Day / On Fishing / Smoking / The Idle Home / The Pub / Riot / The Moon and the Stars / Sex and Idleness / The Art of Conversation / Party Time / Meditation / Sleep / On Holidays / A Waking Dream
It’s good to be idle. The purpose of this book is both to celebrate laziness and to attack the work culture of the western world, which has enslaved, demoralized and depressed so many of us. Doing nothing, however, is hard work, as Oscar Wilde pointed out. There are always so many people around trying to make you do things.
Wenn ein Mensch einmal einen halben Tag in den Wäldern spazieren geht, weil er sie liebt, dann besteht die Gefahr, dass er als Tagedieb angesehen wird; wenn er dagegen den ganzen Tag als Unternehmer zubringt und diese Wälder abhackt und die Erde vorzeitig kahl werden lässt, so wird er als fleißiger und unternehmungslustiger Bürger betrachtet. Henry David Thoreau (1817 -1862)
Arbeit und Tugend schließen einander aus Aristoteles (384 – 322 v. Chr.)
Der Faule Rennt dem scheuen Glücke nach! Freunde, rennt euch alt und schwach! Ich nehm’ Teil an eurer Müh: Die Natur gebietet sie. Ich, damit ich auch was thu’, – Seh’ euch in dem Lehnstuhl zu. Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781)
Man muss sich aus dem Gefängnis der Geschäfte und der Politik befreien. Epikuros (342 – 271 v. Chr.)
Es war wohl eine gute Idee, dass Andreas Neumann, Hörfunksprecher beim Bayerischen Rundfunk, und ich beschlossen, Vortrag und Arkadische Texte im Rahmenprogramm der Ausstellung „Wo bitte gehts nach Arkadien“ nicht nacheinander vorzutragen, sondern ineinander zu verschränken. Dazu gibt es auch eine sehr freundliche Besprechung von Ulrich Pfaffenberger in der Süddeutschen Zeitung.
Gustav Landauer
Wir beginnen mit einem längeren Zitat von Gustav Landauer, anarchistischer und sozialistischer Schriftsteller, Atheist und Mystiker und Mitglied der Münchner Räterepublik von 1918. Vor 100 Jahren wurde er von Reichswehrsoldaten am 2. Mai 1919 nicht weit von hier, in Stadelheim, brutal ermordet, er, der immer Pazifist und friedliebend war und Gewalt als mit der anarchistischen Idee unvereinbar ablehnte. Weiterlesen „Eine andere Utopie: Arkadien!“→
Seit 9. Februar 2019 gibt es in Ebersberg bei München eine Kunstausstellung zu Arkadien. Peter Kees hat sie initiiert und organisiert. Wir fünf Juroren haben bis drei Uhr morgens “getagt”, um aus den über 300 Einreichungen auszuwählen. Die obige Leuchtschrift hängt im Eingangsbereich und die Süddeutsche Zeitung hat bereits vorweg in einem Artikel informiert und dann auch über die Eröffnung berichtet. Es gibt sogar einen Trailer und auch eine eigene Neue Arkadische Zeitung, die die Ausstellung begleitet.
Am 9.2. gab es einige Vorträge und eine Podiumsdiskussion. Meinem Beitrag zu “Eine andere Utopie: Arkadien!” habe ich jetzt eine eigene Webseite gewidmet. Zur Uraufführung kommt im Rahmenprogramm auch das Schauspiel “Arkadien“ von Herbert Achternbusch und der Film „Versuchungen des Glücks. Auf der Suche nach Arkadien“. von Peter Kees
Heute, am 10. August, am internationalen Tag des Faulpelzes, ist wohl der richtige Zeitpunkt: Ein Thema, das mich schon jahrelang, irgendwie auch lebenslang begleitet, hat es bisher noch nicht in den Blog geschafft (wobei das Thema sogar das Versäumnis erklären könnte 😉 Faulheit und Müßiggang. Eigentlich war auch zur Feier des Tages geplant, anknüpfend an die Woche der Utopie 2018 ein Wochenende der Faulheit zu organisieren. Das ist jetzt auf 2019 verschoben. Aber immerhin gibt es jetzt innerhalb der „Arkadischen Akademie“ einen Abend mit diesem Thema:
Mein Sprung von der Praxis in die Theorie wurde wahrscheinlich durch die Lektüre der Buches „How to be Idle“ von Tom Hodgkinson , einem Experten auf diesem Gebiet, angeregt. Er hat auch die Zeitschrift „The Idler“ herausgegeben. Ein Heft davon heißt: Lie back and protest. How to make a Revolution from your Bedside. Der theoretische Klassiker ist natürlich „Das Recht auf Faulheit“ von Paul Lafargue, dem Schwiegersohn von Karl Marx und der literarische Oblomow von Gontscharov. Weiterlesen „Faulheit und Müßiggang“→
An der Seite einer Ausstellung von Peter Kees (vgl. Arkadische Landnahmen, Arkadien am Lago) wird die Idee einer Arkadischen Bibliothek präsentiert, nicht schon die Bibliothek selbst und nicht einmal deren Anfang. Sie ist nicht Teil der künstlerischen Ausstellung, harmoniert aber thematisch bestens mit ihr.
Die Arkadische Bibliothek will die glanzvolle Geschichte der heute fast vergessenen Hirtendichtung zur Darstellung bringen. Sie will aber vor allem die Wirkungsmacht der dahinter stehenden Idee eines friedlichen, einfachen und glücklichen Lebens auch für unsere Zeit zeigen, einer Idee, die stets als Entwurf eines Gegenbilds zu den Nöten und Missständen der jeweiligen Gesellschaft gesehen werden muss. Weiterlesen „Arkadische Bibliothek im Hirtenmuseum“→
Zunächst ist Arkadien eine einfache Sache: eine liebliche Landschaft in ewigem Frühling, mit Bäumen, Wiesen und einer Quelle oder einem See, in der Hirten ein einfaches, aber glückliches Leben führen in einer friedlichen Welt voller Müßiggang, Kunst und Liebe. Ein Literaturwissenschaftler erkennt darin den Topos des locus amoenus. Wir nennen so etwas oft eine Idylle. Alles eigentlich zu einfach, um die Jahrhunderte, ja Jahrtausende alte Faszination zu erklären, die diese Wunschlandschaft ausgeübt hat. Weiterlesen „Arkadien – Ort der Idylle und der Utopie“→
ich weiß nicht genau, wie ich vor gar nicht so langer Zeit auf das Buch von Petra Röder gestoßen bin, es war wohl ein Zufallsfund in einem Antquariatskatalog: Utopische Romantik – Die verdrängte Tradition im Marxismus. Von der frühromantischen Poetologie zur marxistischen Gesellschaftstheorie, aber ich kann mich noch erinnern, warum es meine Aufmerksamkeit erregte, brachte es doch zwei Interessen oder auch Seiten von mir in Verbindung, die schon fast lebenslang nebeneinander her laufen: eine auf die reale Gesellschaft und ihre Veränderung bedachte und eine, die eine andere Welt eher erträumt oder fantasiert und insofern vielleicht mehr der Literatur als der Gesellschaftstheorie oder gar ihrer praktischen Umsetzung zugerechnet werden kann. Weiterlesen „Utopische Romantik“→
Nur das „Schäferstündchen“ und „idyllische“ Urlaubsgegenden erinnern heute noch an die große Tradition der Hirtendichtung. Nahezu vergessen scheint der alte europäische Traum von einem einfachen, mühelosen Leben voll von Liebe, Kunst und Freuden in lieblicher arkadischer Landschaft. Er inspirierte fürstliche Parks, beschäftigte viele Jahrhunderte Künstler und Philosophen. Das Unerreichbare schien nahe gerückt, leuchtend, beseligend, doch nicht ohne sanfte Trauer.