Ich will mal eine Idee fortspinnen, die im CittaSlow Werkstattgespräch am 23.6.12 bei den Möbelmachern (in Unterkrumbach bei Hersbruck) ganz kurz angeklungen war. Wir stellen uns vor, wir richten auf dem einstigen, derzeit sehr unansehnlichen Schickedanz-Gelände vor der (auch einstigen) westlichen Stadtmauer als Pilotnutzung eine Allmende ein – und wir kümmern uns vorläufig nicht darum, dass wir das Gelände nicht haben und nicht benutzen dürfen. Alles ein bisschen verrückt, aber vielleicht brauchen wir genau das.
Pilotnutzung
Unter einer Pilotnutzung verstehe ich eine Zwischennutzung eines Geländes, die nicht einfach die Zeit zur endgültigen Nutzung überbrückt, sondern die zu deren Finden, Auswahl und Gestaltung beiträgt. Um dies zu erreichen, erfolgt die Pilotnutzung auf der Basis einer breiten Bürgerbeteiligung. Aus den Ideen und Bedürfnissen der betroffenen Bürger entsteht das Konzept der dauerhaften Nutzung.
Allmende
Das passt hervorragend zur Idee der Allmende, ursprünglich ein Weideland im Besitz der Bürgergemeinde. Das Hersbrucker Umland war von Allmenden geprägt. Sie bestanden dort, weit länger als sonst in Deutschland, bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts. Ihre Tradition wird in den Wiederbeweidungsprojekten des Wengleinparkvereins bis heute fortgeführt. In den letzten Jahren gibt es weltweit eine lebhafte Rückbesinnung auf die Allmende, sowohl in ihrer alten Form wie auch in modernen Formen, z.B. der Wissensallmende (Creative Commons). Die jüngst verstorbene Elinor Ostrom erhielt 2009 den Nobelpreis für ihre Arbeit über “Die Verfassung der Allmende”. Auch unsere Hersbrucker Allmende sollte nicht nur an der alten Form festhalten, wohl aber daran, dass konstituierend für die Allmende ihr Gemeinbesitz in der Hand der Bürger ist.
Wie kann das aussehen?
Jede Form der Zwischennutzung unterliegt natürlich Beschränkungen. Es kann nichts Dauerhaftes und Unwiderrufliches errichtet werden, aber gerade diese Vorläufigkeit ermöglicht auch das Probieren und Experimentieren – und die Ideen können natürlich die Pilotnutzung überdauern. Also keine Gebäude, sondern z.B. Container (oder Schäferkarren). Ein Vorbild könnte die Pilotnutzung auf dem ehemaligen Tempelhofer Flughafen in Berlin sein. Dort sind die Pilotprojekte in Baucontainern untergebracht und das “Urban Gardening” findet nicht direkt in der Erde statt, sondern in Kisten, die als Hochbeete fungiern. Letzteres heißt dort übrigens “Allmendekontor” und hat einen ungeheuren Erfolg.
Was kann dort geschehen?
Dass die Pilotnutzung aus den Ideen, den Diskussionen und dem Ausprobieren der Bürger entstehen soll, schließt natürlich aus, vorher einen fertigen Plan zu machen. Aber einige Ideen zum Appetitmachen können nicht schaden:
- Das erwähnte Allmendekontor / Urban Gardening wäre eine erste.
- Wir könnten, anknüpfend an die Wiener Kaffeehäuser ein Zeitungs/Intenetcafé einrichten, das auch Hilfen beim Umgang mit den neuen Medien gibt.
- Ganz nah bei der Allmendeidee wären wir mit einem Informations- und Kommunikationsforum, in dem die frei zugänglichen Texte, Musiken, Bilder etc. der CreativeCommons zugänglich gemacht und in Ausstellungen etc. verdichtet werden.
- Hervorragend geeignet wäre auch eine temporäre gastronomische Nutzung wie sie derzeit im Espan im Hirtenmuseum stattfindet. Der Espan war eine Form der Allmende (und wer es genauer wissen will, kann das in der Speisekarte des Lokals nachlesen).
- Ein Idee will ich etwas näher ausführen. Ich nenne sie SlowLädla, aber es ist kein ganz richtiger Laden, allenfalls so etwas wie ein Museumsladen. Es gibt dort schon was zu kaufen, z.B. einige SlowFood-Produkte oder regionale Spezialitäten (keine schnell verderblichen). Daneben aber vor allem Informationen, zum Beispiel
- eine Auswahl aus der reichhaltigen Literatur von SlowFood,
- Führer durch die regionalen Nahrungsangebote aus Hersbruck und Umgebung
- allgemeine Informationen zu Umwelt und Nachhaltigkeit in Stadt und Umland
- aber z.B. auch eine kleine Bibliothek des Müßiggangs mit Büchern wie
- Parkins/Craig, Slow Living. Langsamkeit im globalen Alltag (Zürich 2008)
- Hodgkinson, How to Be Idle (London 2005)
Das kann durch Vorträge, Diskussionen, Konzerte, Meditationen etc. ergänzt werden. Vielleicht will sich auch der “Raum der Stille” auf der Allmende ansiedeln.
- Und zwischen all den fortschrittlichen Dingen könnten auch ein paar Weidetiere ihre Nahrung finden (Schafe, Ziegen, Esel oder auch Gänse). Dafür müssen wir allerdings die Fläche begrünen, was wahrscheinlich auch die Menschen freuen würde.
Ist es nur ein Traum?
Im Moment weniger als das: einfach nur eine verrückte Idee! Aber es gibt doch Hoffnung, weil schon seit Jahren intensiv in diese Richtung gearbeitet wird. Dabei denke ich nicht nur an die schon mehrfach erwähnte CittaSlow, sondern vor allem an die Arbeiten des Naturschutzzentrums Wengleinspark, der beharrlich und mittlerweile mit Erfolg eine Wiederbeweidung der ehemaligen Hersbrucker Allmenden betreibt. In diesem Zusammenhang erfolgte auch eine Kartierung der Streuobstsorten auf diesen Hutangern – für mich ein wunderschönes Dokument ihrer Artenvielfalt. Das neueste Projekt ist die Neupflanzung von 1000 Bäumen dieser alten Sorten. Schaut es Euch an!